https://www.bmleh.de/DE/themen/tiere/tierschutz/tierschutz-pferdehaltung.html
Stand: Juni 2009
Pferde gehören zu den beliebtesten Heim- und Nutztieren in Deutschland. Ob als Freizeitpartner, Sportpferd oder in der Zucht – ihre Haltung bringt eine besondere Verantwortung mit sich. Damit sie artgerecht und unter tierschutzgerechten Bedingungen leben können, ist es entscheidend, ihre natürlichen Bedürfnisse zu kennen und diese im Alltag auch zu berücksichtigen.
Eine wichtige Orientierung bieten dabei die „Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten“. Sie richten sich an Tierhalterinnen und Tierhalter, an Behörden und Sachverständige – und helfen dabei, die Anforderungen des Tierschutzgesetzes in der Praxis umzusetzen. Rechtsverbindlich sind sie allerdings nicht.
Was dagegen rechtlich bindend ist, steht in § 2 des Tierschutzgesetzes. Dort heißt es:
„Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat,
– muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen,
– darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden,
– muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.“
Es lohnt sich auf jeden Fall, das Original-Dokument einmal in Ruhe durchzulesen – es umfasst etwa 30 Seiten und ist gut verständlich aufgebaut.
Im Folgenden fasse ich dir die wichtigsten Inhalte daraus so kompakt wie möglich zusammen.
Wer noch tiefer einsteigen möchte, findet viele weitere Informationen auch in den Richtlinien für Reiten und Fahren, Band 4: Grundwissen zur Haltung, Fütterung, Gesundheit und Zucht:
https://www.fnverlag.de/grundwissen-zur-haltung-futterung-gesundheit-und-zucht-isbn-978-3-88542-724-7.html
Ethologie
Sozialverhalten
Pferde sind Herdentiere: Sie brauchen zwingend den Kontakt zu Artgenossen.
Einzelhaltung ohne Sozialkontakt ist tierschutzwidrig.
Mindestens Sicht-, Hör- und Geruchskontakt muss in jeder Haltung gegeben sein – besser sind direkte soziale Interaktionen.
Neugierverhalten berücksichtigen: Pferde sollten am Geschehen im Stall oder auf dem Hof teilhaben können (z. B. durch offene Boxen oder Fenster nach außen).
Verträglichkeit ist entscheidend: Sowohl in Einzel- als auch in Gruppenhaltung muss auf das soziale Gefüge und die Verträglichkeit der Pferde geachtet werden – dabei spielen auch Unterschiede in Rasse, Alter und Geschlecht eine wichtige Rolle.
Ausnahmen von der Gruppenhaltung sind nur zulässig, wenn eine Pferdepersönlichkeit klar unverträglich ist oder gesundheitliche Risiken bestehen. Auch Übergangslösungen (z. B. kurzzeitige Isolation vor Abgabe) sind möglich – aber nur zeitlich begrenzt.
Fohlen und Jungpferde dürfen niemals einzeln gehalten werden: Für ihre soziale Entwicklung ist Gruppenhaltung Pflicht. Optimal ist das Aufwachsen in gleichaltrigen Gruppen – ergänzt durch ältere, erfahrene Tiere als „Erzieher“.
Bewegungsverhalten
Pferde bewegen sich in der Natur bis zu 16 Stunden täglich, meist langsam im Schritt – oft verbunden mit der Futteraufnahme.
Daraus ergibt sich ein natürlicher Bedarf an mehrstündiger, täglicher Bewegung – unabhängig von Nutzungsart oder Haltung.
Bewegungsmangel führt zu Problemen:
– Verhaltensstörungen
– Schäden am Bewegungsapparat
– Störungen von Atmung und Stoffwechsel
Freie Bewegung ist unersetzlich:
Kontrolliertes Training (z. B. Reiten) ersetzt nicht die freie, entspannte Bewegung im Schritt. Beides erfüllt unterschiedliche Funktionen.
Weidegang oder Auslauf sollten allen Pferden möglichst täglich zur Verfügung stehen, besonders aber Zuchtstuten, Fohlen und Jungpferden.
Bereits bei der Stallplanung muss auf ausreichend große Auslaufflächen geachtet werden – insbesondere bei Neubauten ist eine gute Flächenausstattung Pflicht.
Ruheverhalten
Pferde haben mehrere Ruhephasen über den Tag verteilt – typisch ist das Ruhen im Stehen, in Bauchlage und in Seitenlage.
REM-Schlaf (Tiefschlaf mit schneller Augenbewegung) ist nur im Liegen möglich – dazu müssen sich Pferde sicher fühlen und bequem ablegen können.
Der Schlafbedarf nimmt mit dem Alter ab:
– Fohlen bis 3 Monate: 70–80 % der Ruhezeit im Liegen
– Jährlinge: etwa 50 %
– Erwachsene Pferde: rund 7 Stunden Ruhezeit pro Tag – davon ca. 80 % dösend im Stehen
Der Liegeplatz ist entscheidend:
– Muss trocken, verformbar und ausreichend groß sein
– Pferde legen sich auf morastigem oder hartem Boden nur ungern ab
– In Gruppenhaltung muss gewährleistet sein, dass auch rangniedere Pferde ungestört liegen können
Ziel ist es, dass alle Pferde gleichzeitig in Seitenlage liegen können – das ist notwendig für eine vollständige Erholung.
Futter- und Wasseraufnahmeverhalten
Fütterung
Pferde sind Dauerfresser: Verdauung und Verhalten sind auf stetige Nahrungsaufnahme ausgerichtet – sie fressen nicht nur zur Ernährung, sondern auch zur Beschäftigung.
Fresspausen über 4 Stunden sind zu vermeiden. Wenn kein Heu „ad libitum“ angeboten wird, muss rohfaserreiches Futter (z. B. Heu, Stroh) mindestens 12 Stunden täglich verfügbar sein.
Die natürliche Fresshaltung ist bodennah – das sollte bei der Gestaltung von Futterplätzen berücksichtigt werden.
Um übermäßige Futteraufnahme zu vermeiden, können Hilfsmittel wie engmaschige Heunetze oder zeitgesteuerte Raufen eingesetzt werden.
Jedes Pferd braucht einen eigenen Fressplatz, auch in Gruppenhaltung. Ist das nicht möglich (z. B. bei automatischer Fütterung), muss dennoch sichergestellt sein, dass alle Pferde gleichzeitig zumindest Raufutter aufnehmen können.
Größere Mengen Kraftfutter sollte auf mindestens drei Mahlzeiten täglich verteilt werden.
Fütterungseinrichtungen müssen störungsfrei funktionieren und täglich überprüft werden – besonders automatische Systeme.
Das Futter muss:
- dem individuellen Bedarf an Energie und Nährstoffen entsprechen
- gesundheitlich unbedenklich sein
- sauber angeboten werden
Außenfutterplätze müssen so gestaltet sein, dass das Futter nicht verdirbt oder verschmutzt.
Leckerli sollten nur gezielt als Belohnung eingesetzt werden – unkontrolliertes Füttern kann zu Bettelverhalten und Unruhe führen.
Wasserversorgung
Frisches Wasser muss jederzeit verfügbar sein, unabhängig von Jahreszeit oder Haltungsform.
Wenn das nicht möglich ist (z. B. bei Weidehaltung), muss mindestens dreimal täglich Wasser bis zur Sättigung angeboten werden.
Schnee ist kein Ersatz für Trinkwasser.
Tränken müssen täglich auf Sauberkeit und Funktion geprüft werden – Selbsttränken zusätzlich auf ihre Technik.
Betreuung und Management
Fachwissen ist Pflicht: Die Leitlinien allein reichen nicht aus. Pferdehalter*innen sollen sich durch Kurse und Schulungen weiterbilden (z. B. FN, VFD, Zuchtverbände, Landwirtschaftskammern).
Halter müssen:
- über die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen
- mit ihren Tieren vertraut sein
- dafür sorgen, dass die Pferde auch an den Umgang mit Menschen gewöhnt sind
Vertrautheit variiert je nach Haltung: Pferde aus naturnahen, wenig betreuten Haltungsformen sind oft weniger menschenbezogen als Sport- oder Freizeitpferde.
Das Wohlbefinden der Pferde ist mindestens einmal täglich zu kontrollieren – dazu zählen sowohl Gesundheitszustand als auch Haltungsumfeld.
Nur bei sehr naturnahen und weitgehend selbstständigen Haltungsformen (z. B. Offenlandhaltung ohne tägliche Betreuung) kann auf tägliche Kontrolle verzichtet werden – in diesen Fällen muss die Überprüfung aber so oft erfolgen, dass keine Leiden oder Schäden entstehen.
Alle Stall- und Haltungseinrichtungen müssen sicher und pferdegerecht sein:
- Materialien dürfen nicht gesundheitsschädlich oder verletzungsgefährdend sein
- Zäune, Ställe und Einrichtungsgegenstände sind regelmäßig auf Funktion und Sauberkeit zu kontrollieren
Pflegemaßnahmen
Natürliches Pflegeverhalten soll möglichst nicht eingeschränkt werden – Haltungsbedingungen müssen dies ermöglichen (z. B. Kontakt mit anderen Pferden zum gegenseitigen Kraulen).
Pflege durch den Menschen ist wichtig:
– Sie gleicht Einschränkungen aus
– Fördert das Vertrauen zwischen Mensch und Pferd
– Dient auch als Gelegenheit für soziale Interaktion
Fohlen und Jungpferde sollten frühzeitig an den Umgang mit Menschen gewöhnt werden – z. B. Anbinden, Führen, Hufegeben.
Eindecken und Scheren sollten nur bei echter Notwendigkeit erfolgen – z. B. aus medizinischen oder haltungsbedingten Gründen, nicht rein aus Bequemlichkeit.
Tierschutzwidrig sind Eingriffe an Haaren, die wichtige Schutz- oder Tastfunktionen haben:
– z. B. Tasthaare (Schnurrhaare) oder Haare in den Ohrmuscheln
– Ausnahme: Das Kürzen der herausragenden Ohrhaare ist erlaubt
Beim Waschen sollte die natürliche Schutzfunktion von Haut und Fell erhalten bleiben – Seife oder Shampoo nur gezielt und sparsam einsetzen.
Hufpflege
Fohlen und Jungpferde sollen frühzeitig lernen, die Beine fürs Hufegeben ruhig zu halten – als Vorbereitung auf regelmäßige Pflege und tierärztliche Maßnahmen.
Hufe müssen regelmäßig kontrolliert und gepflegt werden, damit sie gesund bleiben:
- Vor und nach jeder Nutzung sollten Sohle und Strahlfurchen gereinigt werden.
- Unbeschlagene Pferde: Kontrolle und ggf. Korrektur alle 6–8 Wochen
- Bei Bedarf: fachgerechter Beschlag oder alternativer Hufschutz
Das Beschlagintervall liegt ebenfalls bei etwa 6–8 Wochen.
Maßnahmen wie Kürzen, Umstellen oder Anbringen von Hufschutz (z. B. Hufeisen) wirken sich direkt auf die Gesundheit aus – sie erfordern Fachkenntnis und Sorgfalt.
Rechtliche Grundlage: Die Vorschriften zu Hufschutz und Beschlag sind im Hufbeschlaggesetz geregelt.
Tierärztliche Versorgung
Der Halter ist verpflichtet, durch artgerechte Haltung, Fütterung und Pflege zur Gesunderhaltung des Pferdes beizutragen.
Krankheiten oder Verletzungen müssen rechtzeitig tierärztlich behandelt werden.
Alte Pferde brauchen besondere Aufmerksamkeit, z. B.:
- altersgerechte Fütterung
- zweimal jährlich Gebisskontrolle
- regelmäßige Zahnsanierung
Entwurmung ist Pflicht: Sie sollte planmäßig und nur in Absprache mit dem Tierarzt durchgeführt werden.
Vorbeugung gegen Infektionen:
- Gute Hygiene im Bestand
- Impfungen gegen gängige Krankheitserreger
- Besonders wichtig: Tetanus-Impfung – sie ist aus tierschutzrechtlicher Sicht unbedingt angeraten
Zur Gesundheitsvorsorge gehört auch eine jährliche Zahnkontrolle, unabhängig vom Alter des Pferdes.
