Wie fühlen Pferde, wenn sie etwas erwarten?

Wie reagieren Pferde bei Vorfreude, Enttäuschung und Frust?

Pferde kommunizieren mit feinen Signalen – mit ihren Ohren, Augen, der Maulpartie und ihrer ganzen Körperhaltung. Doch was passiert in ihrem Gesicht, wenn sie sich auf Futter freuen, enttäuscht werden oder sogar Frust erleben? Genau das hat ein Forschungsteam untersucht und dabei spannende Einblicke in die emotionale Welt von Pferden gewonnen.

Ziel der Studie

Das Ziel war es, emotionale Reaktionen von Pferden auf drei spezifische Situationen zu beobachten:

  1. Vorfreude (Anticipation)
  2. Enttäuschung (Disappointment)
  3. Frustration (Frustration)

Untersucht wurden sowohl Gesichtsausdrücke als auch Verhalten – und zwar mit modernen Methoden wie dem Equine Facial Action Coding System (EquiFACS) und Netzwerkanalysen (NetFACS).

Was wurde untersucht?

Die Studie beschäftigte sich mit sogenannten „emotionalen Erwartungssituationen“. Die Forschenden wollten herausfinden, ob und wie sich Pferde anders verhalten, je nachdem, ob sie mit einer Belohnung oder mit Enttäuschung rechnen. Dabei kamen gleich zwei besondere Methoden zum Einsatz:

  1. EquiFACS – ein Kodierungssystem, das feinste Gesichtsmuskelbewegungen bei Pferden erfasst (wie z. B. Lippenziehen, Blinzeln, Ohrenposition).
  2. NetFACS – eine Netzwerkanalyse, die untersucht, welche Gesichtsausdrücke typischerweise zusammen auftreten.

Außerdem wurden auch klassische Verhaltensweisen wie Kopfschütteln, Rückwärtsgehen oder die Haltung des Nackens dokumentiert.

So lief das Experiment ab

Die Forscher:innen wollten herausfinden, ob Pferde unterschiedlich auf positive und negative Erwartungssituationen reagieren – und wie sich das in Mimik und Verhalten zeigt. Dafür haben sie folgendes Versuchsdesign entwickelt:

Die Ausgangssituation

Die Pferde wurden an eine bestimmte Erwartungssituation gewöhnt:
Sie lernten, dass ein bestimmter Hinweis (z. B. ein Geräusch oder ein Mensch mit Futtereimer) eine Belohnung ankündigte: nach 10 Sekunden gab es Futter. Mit der Zeit verstanden die Tiere: „Wenn das passiert, bekomme ich gleich etwas Gutes.“
Diese Konditionierung war wichtig, um gezielt die Reaktion auf Erwartung zu beobachten – nicht nur auf die Belohnung selbst.

Vorfreude (Positive Erwartung):

Futter wurde in den Behälter gegeben, jedoch blieb der transparente Deckel für etwa 10 Sekunden geschlossen, wie in der Konditionierungsphase.
In dieser Zeit wusste das Pferd: Gleich gibt’s Futter!

Ziel: Reaktion in der positiven Erwartungsphase erfassen.

Enttäuschung (Negative Erwartung):

Futter wurde in den Behälter gegeben und der transparente Deckel geöffnet. Das Futter war jedoch durch einen zweiten, undurchsichtigen Deckel verdeckt. Das Pferd hatte mit Futter gerechnet, doch aus Sicht des Pferdes war keins da.

Ziel: Reaktion auf das unerwartete Ausbleiben der Belohnung erfassen.

Frustration (Negative Erwartung):

Futter wurde in den Behälter gegeben, aber der transparente Deckel wurde nicht geöffnet. Das Pferd wusste, dass das Futter da ist, konnte es aber nicht erreichen. Dadurch entstand ein Zustand der anhaltenden Erwartung ohne Erfüllung, also Frust.

Ziel: Reaktion bei anhaltenden Erwartung ohne Erfüllung erfassen.

In allen Fällen wurde gefilmt und genau beobachtet, wie sich die Tiere verhalten und welche Gesichtsausdrücke sie zeigen.

Was kam dabei heraus?

Die Unterschiede könnten klarer kaum sein:

Vorfreude (Anticipation)

  • Überraschend: Keine klaren Veränderungen im Gesichtsausdruck
  • Die Pferde wirkten ruhig und aufmerksam – aber zeigten keine eindeutige mimische Aktivierung
  • Interpretation: Die Erwartung an sich war eher neutral als emotional aufgeladen.

Enttäuschung

  • Typische Signale:
    • Zungensichtbarkeit (Tongue Show)
    • Kauen oder Lecken
    • Nasenhebung (Nostril Lift)
    • Leichtes Blinzeln
  • Diese Mimik könnte eine emotionale Verarbeitungsreaktion sein – vergleichbar mit einem Menschen, der die Lippen presst oder sich auf die Wange beißt.

Frustration

  • Deutliche Anzeichen von Stress und Gereiztheit:
    • Augenweiß sichtbar (Sclera exposure)
    • Ohren zurück oder rotiert
    • Kopfwendung zur Futterquelle
    • Beißen an der Box oder dem Eimer
  • Hier zeigte sich ein klares Muster, das auf emotionalen Druck hinweist.

Und was sagt uns das?

Die Studie hat erstmals gezeigt, dass Pferde in Fütterungssituationen unterschiedliche Gesichtsausdrücke zeigen, je nachdem, ob sie frustriert oder enttäuscht sind. Das bedeutet: Pferde drücken negative Emotionen wie Enttäuschung oder Frust sichtbar und wiedererkennbar über ihre Mimik aus.

Während bei der Vorfreude keine eindeutig typischen Gesichtsausdrücke gefunden wurden, konnten bei Enttäuschung und Frustration klare Muster beobachtet werden.

  • Enttäuschte Pferde blinzelten häufiger, zeigten öfter die Zunge, hoben die Nase an, kauten oder schleckten.
  • Frustrierte Pferde zeigten deutlicheres Stressverhalten: Sie rollten die Augen, legten die Ohren zurück, wandten den Kopf zur Futterstelle oder begannen sogar, in den Eimer zu beißen.

Die Forschenden kommen zu dem Schluss: Gesichtsausdrücke sind ein wichtiges Fenster zur Gefühlswelt von Pferden. Wer diese Signale lesen kann, hat die Möglichkeit, Emotionen früh zu erkennen – und das kann direkt zum Wohlbefinden der Tiere beitragen.


https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0168159123001387#fig0030

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